Nur wer seine IT-Tools nutzt, hat Wettbewerbsvorteile
Trotz rasanter Investitionen in die IT werden die erhofften Potentiale selten ganzheitlich realisiert. Eine multidimensionale Aufnahme der Digitalen Adoption ermöglicht Abhilfe.
Trotz rasanter Investitionen in die IT werden die erhofften Potentiale selten ganzheitlich realisiert. Eine multidimensionale Aufnahme der Digitalen Adoption ermöglicht Abhilfe.
Für den effizienten und effektiven Betrieb moderner Lieferketten gilt die Grundregel: Wirkungszusammenhänge sind komplex, dynamisch und nur selten linear vorhersagbar. Abhilfe schaffen leistungsstarke Planungssysteme, welche die simultanen Wechselwirkungen (im Gegensatz zur früheren schrittweisen Betrachtung) beherrschbar machen (Concurrency), indem sie den User mit smarten Algorithmen im täglichen Einsatz unterstützen. Dies wird, wenn es sich ganzheitlich vom Auftragseingang bis zur Zahlungsverbuchung bezieht, oft als digitale Transformation bezeichnet. Aber selbst Software-Anbieter schätzen, dass 40 bis 65 Prozent der Implementierungen von Advanced Planning-Systemen nicht ihren erwarteten Mehrwert erreichen, sich verzögern oder Budgetnachschüsse benötigen. In Anbetracht, dass IT-Investitionen global in allen Bereichen, das heißt für Systeme, Infrastruktur und Anwendungen kräftig steigen, schwingt sich das Problem auf, hat jedoch oft keinen Namen. Hier bringt Digitale Adoption, das heißt die Nutzerakzeptanz der implementierten Systeme und deren Einsatz im täglichen Betrieb ohne auf Hilfswerkzeuge (insbesondere Excel) zurückzugreifen, Abhilfe.
Problemstellung auf Anwenderseite
Auf Unternehmensseite hat man bereits viel Zeit, Geld und Wohlwollen in die verschiedenen Planungs- und Optimierungssysteme investiert. Bevor man weitere Schritte unternimmt, geht es darum, den Status Quo aufzunehmen und sich zu fragen, wo man mit der Digitalen Adoption in der Transformation steht. Digitale Transformation ist mehrdimensional. Es geht in diesem Zusammenhang um IT versus Prozess und um Projekte versus laufenden Betrieb. Ausgangspunkt ist, dass die Übersicht, wie Prozesse, Daten und Systeme ineinandergreifen, fehlt. Daten sollen nicht nur bereinigt werden, sondern die Datenqualität soll nachhaltig erhöht werden. Nicht nur Insellösungen im Silo sollen optimiert werden, sondern ganzheitlich vom Auftragseingang bis zur Zahlungsverbuchung verbunden werden. Auf User-Seite ist man willig, aber nicht geschult und monatlich anfallende Prozessschritte werden schneller vergessen als die Schulung nachlegen kann. Oft liegen widersprüchliche Kennzahlen vor zur Datenpflege versus Auftragsabwicklung und wenn der Arbeitsumfang im Vergleich zur Zeit, die dafür zur Verfügung steht, zu kurz ist, werden Mitarbeiter ermutigt, Aufgaben zu priorisieren, die den Kunden glücklich machen, aber wichtige Hygieneaufgaben wie beispielsweise die Pflege von Stammdaten werden vernachlässigt.
Der Lösungsansatz
Durch die Aufnahme der Digitalen Adoption wird den Unternehmen auf Kunden- und Anwenderseite geholfen, den Prozess in Verbindung von Datenquellen, Hilfssystemen und Nutzern zu verorten. Antworten auf Fragen wie beispielsweise Wo sind Daten nicht synchronisiert? Wo müssen sie manuell zusammengeführt werden? wird nachgegangen. Beispielsweise sind Zeitreihen des Absatzes oft zu umfangreich, als dass sie ohne Aggregation in der Planung genutzt werden. Dies führt beim Einsatz in der Detailplanung jedoch zu Unschärfen. Mit der Frage danach, wo Prozesse nicht durchgängig systemisch unterstützt werden, stellt man sich die reale Welt der Prozessschritte und die virtuelle Welt der IT als parallele Abläufe vor. Wartet das System auf den User, ist es ausgebremst. Andererseits können Meetings nicht vorbereitet werden, wenn Zahlen in Echtzeit ständig aktualisiert werden. Und selten können einzelne Systeme alles. Die Frage ist hier, wie dann der Systemwechsel sauber erfolgen kann.
Und wo stehen die Nutzer? Supply Chain Manager sind oft immer noch Quereinsteiger. Wenn dann ein Auftrag nicht planmäßig abgewickelt wird, stellt sich oft die Frage, ob die Nutzer die Zusammenhänge der Lieferketten voll durchdringen oder aber nur mit dem System ihre Schwierigkeiten haben. Nur selten sind Systeme so flexibel, dass sie Gegebenheiten für einzelne Werke oder Märkte abbilden können. Dann greifen Nutzer im Sinne des Kunden und des Unternehmens für etwaige Nebenrechnungen zu Excel. Dies ist jedoch weder nachhaltig für den System-Owner, welcher weniger Nutzen hat, um sein System-Wartungsbudget zu verteidigen, noch für den Anwender, welcher sich schnell zwischen Druck im System zu arbeiten und der Realität des täglichen Betriebswahnsinns aufreibt.
Kosten, Nutzen, Risiken und konkrete Beispiele hierfür
Der erste Schritt zur Besserung ist die Erkenntnis. Dazu gehört, das Gefühl, dass die digitalen Transformationsinitiativen in der Supply Chain nur schleppend vorankommen, tatsächlich wahrzunehmen und in einem ersten Schritt zur Kenntnis zu nehmen. Schlimm wird es allerdings, falls das Advanced Planning-System live ist, aber der Mehrwert deutlich unter dem geplanten Versprechen zurückzubleibt. Die Katastrophe ist schließlich, wenn nach sechs Monaten Live-Betrieb, immer mehr Excel Arbeitsmappen im Arbeitsalltag wieder auftauchen.
So wurde zum Beispiel bei einem bekannten Hersteller medizinischen Bedarfs über Jahre ein herausragendes Supply Chain-Planungssystem eingeführt. Dabei wurden Prozesse standardisiert, und mit viel Aufwand das System und die neuen Prozesse in den Werken ausgerollt. Implementierung und Betrieb des neuen Systems war auch finanziell ein Kraftakt, und erhielten daher viel Aufmerksamkeit bis in die hohen Führungsebenen. Alles schien gut zu laufen, bis ein unangekündigter Besuch in einem der Werke für Erstaunen sorgte: Auf den Bildschirmen der Mitarbeiter waren vor allem Excel Arbeitsmappen zu sehen. Ein kurzer Check der meistgenutzten Funktionen des neuen Systems bestätigte dann die Befürchtung, dass man ein System ausgerollt hatte, welches nicht mehr genutzt wird. In den sechs Monaten nach dem Go-live rutschte die Zahl der genutzten Funktionalitäten allmählich ab, und nun wurden fast nur noch Auszüge heruntergeladen und fertige Pläne hochgeladen. Doch der Ärger über die veränderungsresistenten Mitarbeiter war verfehlt. Zum einen monierten die erfahrensten und mutigsten Mitarbeiter bereits bei den Trainingsworkshops, dass das System nicht zur Planungsrealität im Werk passe. Zum anderen litten die Kennzahlen des Werkes von Monat zu Monat nach dem Go-live unter dem neuen Prozess, da abteilungsübergreifende Abstimmungen systemseitig nicht unterstützt wurden. Und so ertüftelten sich die zunehmend frustrierten Mitarbeiter – abteilungsübergreifend und ohne Zugabe des Managements – einen Ansatz, um sowohl die Ziele der Projektsponsoren als auch die des Rechnungswesens zu erfüllen. Die Supply Chain-Planer generierten einen Plan gemäß Soll-Prozess im neuen System, luden diesen in eine Excel Arbeitsmappe zur Abstimmung mit der Produktion und dem operativen Einkauf, und luden den so optimierten Plan wieder in das teure Planungssystem hoch.
Bei einem anderen Unternehmen in der Lebensmittelbranche war beispielsweise die allgemeine Meinung, das bestehende Supply Chain -Planungssystem sei unbrauchbar. Hintergrund war, dass das System praktisch wöchentlich einmal abstürzte. Dies erzeugte sehr viel Unruhe in der Supply Chain, da der Betrieb ohne das System aufrechterhalten werden musste, bis es nach in der Regel zwei bis drei Tagen wieder nutzbar war. Der Effekt dieses regelmäßigen Firefightings war jedoch, dass die Mitarbeiter notwendige Parametrisierung- und Konfigurationsaufgaben nicht wahrnehmen konnten. Dies wiederrum führte zu schlechten oder unvollständigen Daten. Zum Beispiel konnten aus der Bedarfsplanung Produkte beplant werden, welche in den Werken noch gar nicht mit einer Stückliste ausgestattet waren. Beim wöchentlichen Planungslauf wurde also im besten Fall keine Materialplanung durchgeführt, was die Mitarbeiter jedoch als Fehler des Planungssystems betrachteten. Zum Absturz des Systems führte, wenn ein neues Produkt noch nicht im Materialstamm angelegt war. Die Situation war also ein Teufelskreis aus schlechten Daten, Systemausfall und Mitarbeiterüberlastung. Jeder einzelne Aspekt war performant, aber die Kombination nicht praktikabel.
Unabhängig vom ausgegebenen Geld sollte man auf Unternehmensseite motiviert sein, die mangelnde digitale Akzeptanz aufzudecken und sich den Fragen zu stellen, wie beispielsweise Sind die Digitalisierungsmaßnahmen ausreichend? Kann mehr aus Investitionen herausgeholt werden? Oder steht man vor einem digitalen Transformationsprojekt und sollen Fallstricke vermieden werden, die die Effektivität zunichte machen? Besser zu wissen und zu ändern als auf Sand zu bauen.
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