Wie Sie trotz Ungewissheit innovative Lösungen finden
Momente der Ungewissheit erleben viele im Job. Sei es, weil kurz vor einer Konferenz die Keynote-Speakerin krankheitsbedingt absagt. Oder weil ein Programmierfehler den Launch einer App gefährdet. René Mauer, Professor für Entrepreneurship und Innovation an der ESCP Business School in Berlin, erklärt, wie sich in der unternehmerischen Praxis trotz Ungewissheit innovative Lösungen finden lassen. Ungewissheit […] Der Beitrag Wie Sie trotz Ungewissheit innovative Lösungen finden erschien zuerst auf Plattform für Digitalisierung und Nachhaltigkeit.
Momente der Ungewissheit erleben viele im Job. Sei es, weil kurz vor einer Konferenz die Keynote-Speakerin krankheitsbedingt absagt. Oder weil ein Programmierfehler den Launch einer App gefährdet. René Mauer, Professor für Entrepreneurship und Innovation an der ESCP Business School in Berlin, erklärt, wie sich in der unternehmerischen Praxis trotz Ungewissheit innovative Lösungen finden lassen.
Ungewissheit ist ein zunächst negativ empfundenes Gefühl. Denn wir wissen ja nicht, was die Zukunft bringt – also, ob wir etwa kurzfristig eine neue Keynote-Speakerin finden oder den Fehler in der App beheben können. Doch in Momenten der großen Ungewissheit steckt auch das Potenzial für große Innovationen.
Um diese Potenziale zu heben, gibt es Tools, die sich in Theorie und Praxis bewährt haben. Effectuation, Improvisation und Bricolage sind drei Werkzeuge, die in ganz unterschiedlichen Momenten der Unsicherheit helfen können. Sie alle haben gemein: Die Ungewissheit betrachten sie als Chance, nicht als Verderben.
Effectuation lässt den Endpunkt offen
Der Begriff Effectuation leitet sich vom Englischen „effect“ (Wirkung) ab und bezeichnet einen Prozess, in dem eins von vielen möglichen Ergebnissen erzielt wird. Effectuation geht zurück auf die Entrepreneurship-Wissenschaftlerin Saras D. Sarasvathy, die damit das wirksame Handeln ohne die Festlegung konkreter Ziele meint. Denn Effectuation nähert sich dem Ziel ergebnisoffen.
In der Praxis heißt das: Man startet ohne zu wissen, ob am Ende ein Kochbuch, ein Restaurant oder eine Kochbox herauskommen soll. Nur grobe Zielvorstellungen – etwa, dass es ums Essen gehen soll – stehen im Vorfeld fest.
Effectuation gibt also nicht den einen vermeintlichen Weg vor, sondern ist ein Framework, das das Ergebnis im Prozess entstehen lässt. Dieses Framework setzt auf Prinzipien der Co-Kreation und geht davon aus, dass alles relevante Wissen sich bereits in den Menschen befindet. Unklar ist nur, in welchen und wie diese Menschen mit den unterschiedlichen Ideen zusammengebracht werden müssen. Deshalb setzt Effectuation darauf, das ganz unterschiedliche Menschen in den Austausch kommen – und so Lösungen entstehen.
Daher ist Effectuation in der Praxis besonders für die Erkundung neuer Themen und Ideen spannend – beispielsweise, wenn etwa neue Geschäftsmodelle oder Organisationsformen gefunden werden sollen.
Improvisation, aber mit Grundlage
Einfach den Kühlschrank aufmachen, schauen was da ist und dann mal improvisieren: Für viele Menschen ist das gar kein Problem – zumindest bei einem gut gefüllten Kühlschrank. Damit das gelingt, muss jedoch Vorerfahrung vorhanden sein – sprich: ein Referenzwert, auf dessen Basis man improvisieren kann.
Das gilt auch im Job. Denn wenn improvisiert wird, fehlt die Zeit für die konkrete Planung des Wegs, also das Rezept. Stattdessen fallen Planung und Ausführung zusammen. Damit das gelingt, braucht es Vorerfahrung; wir müssen ein Bauchgefühl oder es „im Blut“ haben.
Im Improvisationstheater gibt es eine schöne Regel, die auch im Unternehmenskontext wichtig ist: „trust the process“. Das bedeutet, der Entwicklung positiv gegenüberzustehen und schrittweise vorzugehen, etwa zunächst erst einmal nur kleine neue Akzente zu setzen. Also, um bei der Metapher mit dem Essen zu bleiben: Nach jedem Gewürz einmal abschmecken, schauen, ob man sich auf einem guten Weg befindet, und dann weitermachen.
Bricolage: Vertraue dem MacGyver in dir
Wer die 1980er-Jahre medial erlebt hat, kam an der Kultserie „MacGyver“ nicht vorbei. Der Protagonist, Angus MacGyver, ist ein Genie darin, Alltagsgegenstände zweckzuentfremden und damit nutzwertig einzusetzen. Mit dieser Fähigkeit ist er gewissermaßen das Rollenvorbild der Bricolage – ein Begriff, den der Ethnologe Claude Lévi-Strauss in die Anthropologie eingeführt hat.
Übersetzt heißt das Französische „bricoler“ soviel wie basteln oder herumbasteln. Das Prinzip folgt oft der „Not macht erfinderisch“-Logik: Wenn kein Hammer im Haus ist, wird der Nagel eben mit einem Buch oder Stein reingehauen. Wenn der Tisch wackelt, wird ein Bierdeckel darunter gelegt.
Die Idee der Bricolage ist dabei sehr anwendungsbezogen, blickt aber auch darauf, was schon da ist, sich aber erfolgsversprechend aus dem ursprünglichen Kontext herauslösen ließe, um ein neues Ziel zu erfüllen.
Von der Theorie in die Praxis
Blicken wir auf das eingangs genannte Beispiel der ausgefallenen Keynote-Speakerin: Im Sinne der Bricolage könnte man schauen, welche renommierte Expertin unter den Gästen ist und sie um einen Impulsvortrag bitten. Und bei dem Programmierfehler in der App kann die Improvisation hilfreich sein, um sich langsam, aber sicher zum Kern des Problems vorzutasten.
Alle drei Tools lassen sich nicht nur für unterschiedliche Herausforderungen einsetzen, sondern auch miteinander kombinieren. Das nimmt zwar nicht direkt die Ungewissheit aus der Situation, aber gibt zumindest Werkzeuge in die Hand, um mit ihr umzugehen.
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